Im Eiskunstlaufen an die Weltspitze – eine Challenge für die ganze Familie
Art on Ice young talents 2024
Spitzensport als Herausforderung für die Familie!
Spitzensport ist ein Fulltime-Job – und das meist nicht nur für die Athletinnen und Athleten selbst, sondern für die ganze Familie. Wir haben Corinne Weiler, die Mutter der Eiskunstlauf-Hoffnung und «Art on Ice young talents»-Mitglied Ean Weiler, 17, gefragt, wie sie in der Nachwuchsförderung unterstützt werden, was ihre grössten Herausforderungen sind und wie sie die Vereinbarkeit von Schule und Leistungssport erleben.
Corinne Weiler, Mutter von Ean, 17:
Corinne Weiler, Welches sind die grössten Herausforderungen für Ihren Sohn als Spitzensportler und auch für Sie als Mutter?
Die grösste Herausforderung im Eiskunstlauf war schon immer, Schule, Sport und Privatleben unter einen Hut zu bringen. Hätte nicht die ganze Familie mitgezogen und das Leben an den Trainingsplan und das Trainingsvolumen angepasst in den letzten sechs Jahren, wäre es Ean nicht möglich gewesen, seinem Traum nachzugehen. Ferien gab es in diesem Sinn keine mehr, seine Trainingslager nutzten wir jeweils als eine ‚Auszeit‘, obwohl wir auch dort immer eingespannt waren. Seit dem Wechsel des Wohnort- und Trainingsorts (nach Champéry, Anm.) von Ean ist das anders. Ich habe mit der Organisation und der Planung nichts mehr zu tun. Ich denke, das hat auch enormen Druck von Ean genommen, weil er gemerkt hat, wie gestresst wir teilweise waren. Nun bin ich einfach froh, kann er geniessen, was er zu seinem Leben machen möchte.
Wie können Sie diese Herausforderungen überwinden?
Ich nehme es mittlerweile vorzu und weiss, dass wir super vom Team beim CP Champéry unterstützt werden. Ean und selbstverständlich auch ich schätzen das sehr. Alles allein zu managen, zerrt an den Nerven und ist unglaublich energieraubend. Vor allem wenn man, wie ich, nicht aus dem Leistungssport kommt und neben Vollzeit Arbeitstätigkeit alles im Bereich Leistungssport noch managen muss.
Was sind speziell im Eiskunstlaufen und in der Schweiz die Schwierigkeiten – im Vergleich zu anderen Sportarten oder Ländern – um an die Weltspitze zu kommen?
Definitiv ist der finanzielle Aspekt ein Problem. Heute habe ich den direkten Vergleich zur finanziellen Unterstützung von Athleten/innen aus dem Ausland und da steht die Schweiz mit Abstand wirklich schlecht da. Wenn man nicht selbst laufend privat um Unterstützung sucht und bittet, gibt es keine Möglichkeiten für Sponsoring, was sehr bedauerlich für die Athleten/innen ist. Der Sport ist ihre tägliche Arbeit und sie müssen dies auch alles noch ehrenamtlich ausführen. Bei mir weiss Ean, dass ich bis übers Limit hinaus gehen würde, um ihm seinen Weg zu ermöglichen. Aber mit Fairness und Gleichstellung hat das absolut nichts zu tun. Eine Familie ohne diese finanziellen Möglichkeiten kann sich Leistungssport überhaupt nicht leisten, obwohl die Tochter/der Sohn vielleicht Talent und Können dafür hätte. Ich finde das unglaublich schade.
Wie wichtig ist für Sie gezielte und frühe Nachwuchsförderung für die langfristige Entwicklung und den Erfolg des Nachwuchses im Sport?
Es gibt nichts Wichtigeres als die Nachwuchsförderung. Dafür muss man auch klar Werbung machen. Die jungen Sportler/innen werden aktuell sehr stark sich selbst überlassen, gerade auch, was aktive mentale Begleitung und physische Kontrollen angeht. Man sieht noch zu oft weg bei Schwierigkeiten oder bemerkt sie viel zu spät.
Auch beim mentalen Missbrauch wird zu wenig kontrolliert, was gerade im Wachstum der Kinder ein grosses Thema ist. Dies vor allem von Seite der Eltern, aber auch einiger Coaches. Ich hoffe, dass man diesem Thema mehr Aufmerksamkeit schenkt, zum Schutz all unserer Kinder.
Wie werden Sie konkret unterstützt, finanziell oder in anderer Hinsicht?
Der Verband Swiss Ice Skating unterstützt uns mit Wettkampfgebühren und Übernachtungskosten während den Wettkämpfen, sowie kleinen Beiträgen bei Top Ten Platzierungen. Die Sporthilfe bietet uns die Plattform des Patenschaftsprojekts, leider hat Ean jedoch noch keinen Paten gefunden. Von Art on Ice hat Ean am meisten profitiert, er hat an Selbstbewusstsein gewonnen, hat gelernt, sich vor der Kamera nicht verstecken zu müssen und keine Angst vor Publikum zu haben. Klar, Nervosität gehört zu jedem Wettkampf dazu, aber er empfindet es nicht mehr als ‚unangenehm‘, sondern als etwas, das dazu gehört und er auch als etwas Positives annehmen kann. Ansonsten wird Ean aktuell nicht finanziell unterstützt. Wir erhalten viele Absagen auf Anfragen und fanden bislang noch keinen Sponsor/Partner, der gewillt ist, mit Ean gemeinsam den Weg zu gehen. Es ist sehr enttäuschend.
Wie gelingt die Koordination Ausbildung, Schule und Sport? Gibt es in der Schule Möglichkeiten für Absenzen wegen Trainings/Wettkämpfen?
Ich weiss aus Erfahrung, dass die Grosszügigkeit der Schulen für Absenzen und Dispensen aufgrund der Schulleitungen unterschiedlich ausfällt. Wir hatten vor allem in der Primarschule grosses Glück und sind auf grosses Verständnis gestossen, was Ean enorm geholfen hat. In der Oberstufe mussten wir um das Verständnis kämpfen, aber wir haben schlussendlich auch dort eine Einigung mit der Schulleitung hinbekommen. Es ist aber praktisch unmöglich, die öffentliche Schule und Leistungssport unter einen Hut zu bekommen, weshalb Ean nach Abschluss der Sekundarstufe A eine Auszeit nahm und nun ein privates Gymnasium besuchen möchte. Dies ermöglicht ihm, seinen gymnasialen Abschluss zu machen, aber von zu Hause aus zu lernen, so dass es ihm möglich ist, Training und Schule optimal aufeinander abzustimmen. Leider erlaubt dies das öffentliche Schulsystem nicht für alle Sportarten.
Inwiefern hat Ihnen die Förderung von Art on Ice via die «Art on Ice young talents» etwas gebracht?
Ean ist an der Erfahrung gewachsen und hat seine Stimme gefunden. Ich denke, ohne Art on Ice hätte er den Entscheid, allein ins Wallis zu ziehen, nie fällen können. Art on Ice hat ihm Selbstsicherheit gegeben, ihm gezeigt, was er braucht, um seinen Traum zu erfüllen. Zudem das nötige Selbstvertrauen, um den nächsten Schritt in seinem Leben, im Hinblick auf seine sportliche Karriere, zu gehen. Er hat den Austausch mit anderen Athleten/innen gebraucht als eine Art Bestätigung für sich selbst.
Art on Ice young talents unterstützt den Nachwuchs
«Art on Ice young talents» unterstützt Nachwuchstalente im Eiskunstlauf dabei, ihr Potenzial auszuschöpfen. Den Talenten wird die Teilnahme an Events wie Art on Ice ermöglicht, bei denen Spass, Entertainment und Persönlichkeitsentwicklung im Vordergrund stehen.
Das Ziel des Projekts ist es, eine zusätzliche Unterstützung zum Verband Swiss Ice Skating zu bieten, und durch die Erfahrungen eine erfolgreiche und lange Wettkampf-Karriere zu ermöglichen.
art on ice young taltents
Als Nachwuchstalente in der Hauptshow von Art on Ice stehen und über das ganze Jahr Unterstützung erhalten? Ein Traum von ganz vielen jungen Talenten. Art on Ice und die AXA Schweiz machten das in Zusammenarbeit mit Swiss Ice Skating im Herbst 2023 zum ersten Mal durch ein Casting möglich.
Sarah van Berkel, ehemals Meier, wurde 2011 Eiskunstlauf-Europameisterin, ist heute Journalistin und bei Art on Ice fürs Athletenmanagement und das Projekt «Art on Ice young talents» zuständig. Die 40-Jährige ist ein Gfrörli, sie liebt Kaffee und ist süchtig nach Nüssen.