Frauen in der Musikbranche: Wo bleibt die Gleichberechtigung?
Die Gleichstellung von Frauen und Männern auf der Bühne ist ein Dauerthema, das insbesondere in der Schweiz seit der Kritik am 100 Prozent männlichen Line-up des Moon&Stars Festivals 2022 wieder verstärkt in den Fokus gerückt ist. Auch ich als Showproduzentin und Teil des Creative-Teams von Art on Ice kenne die Herausforderung, Künstlerinnen für grosse Shows zu finden, die nicht nur musikalisch überzeugen, sondern auch innerhalb eines realistischen Budgets für grosse Bühnen buchbar sind.
Natürlich gibt es zahlreiche Frauen, die absolute Megastars sind – Künstlerinnen wie Taylor Swift, Billie Eilish, Miley Cyrus, Adele oder Beyoncé gehören zu den bekanntesten und erfolgreichsten Acts weltweit. Doch ihre Gagen bewegen sich in astronomischen Höhen, die für viele Veranstalter nur schwer zu stemmen sind. Es ist auch nicht so, dass es an talentierten und beeindruckenden Künstlerinnen mangelt. Aber immer wieder steht bei Booking-Entscheidungen die Frage im Raum: Ist diese Künstlerin bekannt genug? Vielleicht ist es auch nur meine persönliche Wahrnehmung, aber diese Diskussion scheint häufiger bei weiblichen Acts aufzutauchen als bei ihren männlichen Kollegen.
Warum ist es also 2024 immer noch ein Thema, diese Gleichstellung herzustellen? Woran liegt es, dass Frauen in der Musikbranche – trotz ihres Talents und ihrer Qualität – oft weniger sichtbar oder weniger präsent auf den grossen Bühnen sind? Diese Fragen bleiben zentral, wenn es darum geht, die Strukturen und Wahrnehmungen in der Branche nachhaltig zu verändern.
Eine Frage von Marktmechanismen und Netzwerken
Studien zeigen, dass Frauen in der Musikbranche systematisch unterrepräsentiert sind. Trotz positiver Trends dominieren Männer die Charts, Bühnen und Produktionsrollen. Eine US-Analyse ergab, dass zwischen 2012 und 2022 nur 30 Prozent der Top-Acts in den Charts weiblich waren, und der Anteil weiblicher Produzentinnen lag sogar nur bei 4 Prozent. Diese Zahlen verdeutlichen, wie hartnäckig strukturelle Barrieren und Marktzwänge wirken, die Frauen den Zugang erschweren und sie in der Musikindustrie benachteiligen. Hoffen lässt mich allerdings, dass die Grammys inzwischen hauptsächlich von Frauen dominiert werden.
Anteil Frauen in der US-Musikbranche 2012-2022
Stereotypen und Rollenzuweisung als strukturelle Hürden
Die Ursachen für diese Schieflage reichen tief: Musikerinnen sehen sich oft mit stereotypen Erwartungen und traditionellen Rollenzuweisungen konfrontiert. Studien zeigen, dass Mädchen seltener auf «harte» Instrumente wie Bass oder Schlagzeug hingewiesen werden und dadurch in jungen Jahren weniger Zutrauen in eine musikalische Karriere entwickeln. Dieses traditionelle Geschlechterbild prägt die Branche bis heute und man kann nur hoffen, dass wir uns als Gesellschaft langsam, aber sicher von solchen Strukturen lösen.
Weibliche Vorbilder und Netzwerke die Frauen dabei helfen sich im Wettbewerb zu behaupten sind wichtig. Initiativen wie «Helvetia rockt» und «female act» bieten hilfreiche Plattformen für Frauen (FINTA) in der Musik und unterstützen sie auf ihrem Karriereweg.
Unsere Bilanz und unser Anspruch bei Art on Ice
Letztlich liegt die Herausforderung momentan also darin, eine Balance zwischen künstlerischer Vielfalt und kommerziellem Erfolg zu finden. Angesichts dieser Diskussionen habe ich auch bei der Booking-Historie von Art on Ice Bilanz gezogen und die Geschlechterverteilung unserer Musikacts der letzten zehn Jahre analysiert. Zwischen 2015 und 2025 hatten wir insgesamt 14 weibliche und 18 männliche Acts, wobei in vier von zehn Shows die Main Acts weiblich waren. Unser Anspruch bei Art on Ice ist es, ein möglichst buntes und vielfältiges Line-up zusammenzustellen – nicht, weil wir eine Quote erfüllen wollen, sondern weil wir fest davon überzeugt sind, dass Vielfalt die Qualität und das Erlebnis unserer Shows bereichert. Zudem ist es unser selbsterklärtes Ziel, Music Acts zu buchen, die wir vor allem aufgrund ihrer Musik, ihrer Persönlichkeit und Bühnenpräsenz als passend empfinden.
Mit Paloma Faith und Birdy erfüllen wir uns als Produzenten für die Art on Ice Show 2025 gleich zwei lang gehegte Wünsche: Beide Namen stehen schon seit vielen Jahren ganz oben auf unserer «Prio-Liste» Nun endlich konnten wir sie engagieren. Gemeinsam mit Stress und Marius Bear haben wir ein Line-up geschaffen, das nicht nur ein breites musikalisches Spektrum abdeckt, sondern auch eine gleichberechtigte Geschlechterverteilung bietet.
Die Show 2025 wird meine zehnte Art on Ice als Produzentin und schliesst damit gewissermassen einen Kreis. Meine erste Show begann mit Jessie J, einer absoluten Wucht auf der Bühne, deren Performance mich bis heute beeindruckt. Dass ich mein Jubiläum nun mit Künstlerinnen wie Paloma Faith und Birdy feiern kann, bedeutet mir persönlich sehr viel und erfüllt mich mit Stolz und Vorfreude. Beide Frauen sind in meinen Augen fantastische Künstlerinnen mit grossartigen Songs, die berühren und etwas auszusagen haben. So unterschiedlich die beiden sind, so sehr werden sie das Gesamtbild der Show ergänzen (Marius Bear und Stress natürlich auch, aber dieser Artikel ist nun mal den Frauen gewidmet 😉 ).
Die Herausforderungen für Frauen in der Musikbranche scheinen weiterhin gross, doch ich bin zuversichtlich, dass durch das zunehmende Bewusstsein und mehr Chancen für weibliche Acts immer mehr Künstlerinnen die grossen Bühnen erobern werden. Und ich wünsche mir, dass wir alle, egal ob auf Produzenten- oder Konsumentenseite neugierig bleiben für Musik und die Menschen dahinter. Lasst uns Musik auch abseits der Charts entdecken und teilen. Nur so können wir alle einen Beitrag dazu leisten, die Sichtbarkeit derjenigen zu erhöhen, die darauf angewiesen sind.
Erlebe die Frauenpower von Paloma Faith und Birdy live bei Art on Ice 2025. Das komplette Programm findest du hier.
art on ice powerfrauen auf spotify anhören
Die digitale Welt macht es einfacher denn je, Musik zu entdecken und zu verbreiten. Als kleinen Beitrag stellt Marcella einige ihrer persönlichen Musiktipps ihrer Lieblingskünstlerinnen zur Verfügung. Female Power pur! Vielleicht entdeckst du so einen neuen Hit für die kommenden Winterwochen.
Marcella Camenzind ist Head of Creation & Design bei Art on Ice und seit 2015 Teil der Showabteilung. Die 43jährige hat ein grosses Faible für Animationsfilme und Comics und stöbert gerne auf Flohmärkten. Inspiration und Ideen für die Show findet sie in der Musik, Filmen und Podcasts.